schade, dass das topic 'ich bin euer herbergsvater, und sage uha uha' schon von jochen reinecke besetzt ist.

Dienstag, 26. August 2008

zwanzigjährige

Wenn sich demnächst endlich herumspricht, dass das Leben in einem stehengelassenen Joghurtbecher von unserem nicht verschieden ist, da darf man doch nicht erschrecken - das ist doch ein sehr schöner Gedanke. Eine schlüssige, elegante, für Fortgeschrittene auch trostreiche Lösung gegen viel Philosophie, Horoskopie, Mystik, Religion; Feuilleton, Wahrheiten, gelehrtes Raten; Grübeln, Sackgassen, Sinnsuche; Missionierung, Jenseitskult usw.- Ich meine: Du bist ein schönes, kluges Tier und es spricht nichts dagegen, das zu genießen. Aber mancher traut sich nicht, das ist halt schade. Vielleicht so:

I Es gibt nichts.
Den Planeten und das drumrum gibt es meinetwegen durchaus, oder genauer: Das tut nichts zur Sache. Aber Deine Welt, die voll ist von Kontinentalplatten und Gemüsehändlern und Schiefergebirgen und dem Gelsenkirchener Barock, die wurde nicht mit vorgefertgter Kategorisierung geliefert- stattdessen gilt: Es gibt nichts. Die Welt ist umherschwirrendes Material*, das sich auf verschlungenen Wegen aufeinandergestapelt hat (teils unter Zuhilfenahme von Bauunternehmungen, teils wegen Plattentektonik oder Trockenerosion). Kausalketten, die weit vor unsere Zeit zurückreichen und sich wie Ariadnes Faden durch unser Universum ziehen, erzwingen jeden Augenblick aus dem Vorhergehenden. Sie schreiben eine unendliche Geschichte sich aufeinanderstapelnder Materie. NB: Angeblich ist das jetzt schon eine kalte, leblose Sicht auf die Welt. Das ist oberflächlich. Sie ist im Rückblick eher von einer überwältigenden Schönheit, komplex, lebendig, und wärmt außerdem sehr zuverlässig.

[* Zugegeben: Das ist unsauber. Wir haben keine Ahnung woraus sie ist. Was "ist" ein "Materiestapel"? Wir halten fest, die Frage nach einer Wirklichkeit jenseits unserer Interpretation ist grundsätzlich immer Unfug. Gibt es dumme Fragen? Ja, mindestens diese eine. Zugeständnis: Manchmal finden wir intersubjektive Ähnlichkeiten zwischen unseren Weltbildern, das nennen sie dann "wirklich" und kann je nach Epoche sehr eklig werden]

II Im Kopf entstehn die Dinge.
Also, alle. - wie gesagt. Den ganzen Tag sucht er Gesetzmäßigkeiten, denn das ist es, was er kann. Er findet Struktur und Metastruktur, Farben, Formen, Bilder, Buchstaben, Wörter, Sätze, Töne, Harmonien, Lieder; selbstverständlich auch Liebe, oder Utopien, oder die Geschichte des Bergbaus in der Zeit on 1830 bis 1871, falls das fraglich sein sollte; findet als erstes mal Mutti und von Zeit zu Zeit auch leckeren Salat. Der Kopf einer Schnecke findet nur leckeren Salat.

Illustration: Die Welt eines Mathematikstudenten enthält andere - reale - Objekte als die Welt einer Eidechse. Den Begriff des Steins (auf dem die Eidechse) und den Begriff z.B. des Vektorraums (auf dem der Mathematiker) unterscheidet aber nichts als die Zahl der Abstraktionsschritte, die ich wieder hinabsteigen muss um einen bestimmten Materiestapel an den Begriff zu binden. Beide Begriffe sind aus dem gleichen Stoff gemacht. Sie sind entstanden entweder aus einem Kategorisierungsvorgang über Materiestapel, oder einem Kategorisierungsvorgang über zuvor auf diese Art hergestellte Begriffe.

Wenn Dir das Kopfschmerz bereitet, solltest Du nicht weiterlesen. Ich rede ja garnicht davon, dass wir nicht über Materiestapel, sondern nur über deren Niederschlag auf unseren Sinnesorganen kategorisieren können. Oder was auch immer. *.


III "Sinn"
destillierst Du aus deinem großen Archiv von Weltschnippseln heraus, das ist ein Gleichungssystem, für das Du, so ungefähr im Jahresabstand, eine persönliche Lösung abschätzt. Lektion: Was immer du da herausfindest, das ist nur Dein Sinn - natürlich. Wie soll ein allgemeiner, intersubjektiv, absolut geltender Sinn funktionieren? "Die Welt" ist Deine Welt.

IV Jetzt eine Übung: Bezeichne einen Bestandteil der Welt, der dir wichtig ist (Gegenstand, Geliebte/r) als: "Materiewolke + Artefakt eines Kategorisierungsvorgangs", wiederhol das. Geh den Gedanken schaudernd zuende, bis es kalt wird. Denk aber daran, dass dein Hirn komplex ist- ein Fußballstadion voller Spaghetti. Unterschätz' also nicht das Wunder, das grade passiert. Geh den den ganzen Weg entlang. Genieße, wie reich und lebendig das ist, was da aus unbelebter Materie sich zusammengefügt hat. Fass' Vertrauen in den uralten, klickenden Schwamm zwischen deinen Ohren.

V das kann höchstens als basis gemeint sein. aber es ist, immerhin, eine sehr schöne, sehr klare basis.

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